Wenn ich schwach bin dann bin ich stark

Was hatte Paulus mit »wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« gemeint? Was war sein Dorn im Fleisch? Woher kam seine Stärke? Und was hat das mit einem situativen Führungsstil zu tun?

Die Frage »was tun?« stellen wir uns immer dann, wenn wir mit einem Problem überfordert sind, wenn wir keinen Lösungsansatz finden und uns klar wird, dass wir es alleine nicht schaffen werden. Uns wird bewusst, wie klein und schwach wir sind und flehen um das Eingreifen des allmächtigen Vaters.

Doch nur selten kommt die Lösung sofort wie ein Blitz vom Himmel. Wenn wir dann andere Christen um Rat fragen, wie wir uns nun in dieser schwierigen Situation verhalten sollen, bekommen wir oft gegensätzlichen Aussagen:

a) Der eine sagt, leg dein Problem in die Hände Gottes, vertraue ihm und habe Geduld.

b) Der andere sagt, du musst aktiv werden. Wer nicht sät, kann auch nicht ernten. Visualisiere deine Zeile und sei fleißig, dann wird Gott dir helfen.

1. Innere Stärke

In Krisensituation kommen oft noch seelische Hindernisse zum eigentlichen Problem hinzu. Der Blick in die Vergangenheit bringt Vorwürfe, Wut, Trauer und Selbstbemitleidung hervor: »Warum muss ausgerechnet mir das passieren?«, oder »Hätte ich damals anders entschieden …«.

Eine Problemlösung ist jedoch nur möglich, wenn wir diese Hindernisse abwerfen, die uns nur lähmen, wie Bleikugeln an den Füßen. Wir müssen uns der gegenwärtigen Situation stellen und sie möglichst realistisch analysieren. Das beinhaltet leider auch, zu erkennen, wie begrenzt unsere Handlungsmöglichkeiten sind, denn oft haben wir zu diesem Zeitpunkt sämtliche Möglichkeiten bereits ausgeschöpft.

Wir fühlen uns schwach oder gar ohnmächtig und beneiden auf die großen Vorbilder, die die Kraft hatten, die schlimmsten Krisen zu bewältigen.

Der Apostel Paulus ist ein solches Vorbild. Im 2. Brief an die Korinther Kapitel 11 (Verse 23-26) zählt er auf, wie oft er schon Krisen zu bewältigen hatte:

In mühevollen Arbeiten überreichlich, in Gefangenschaften überreichlich, unter Schlägen mehr als genug, in Todesgefahren gar oft; von Juden habe ich fünfmal die vierzig (Geißelhiebe) weniger einen erhalten; dreimal bin ich ausgepeitscht, einmal gesteinigt worden; dreimal habe ich Schiffbruch gelitten, einen Tag und eine Nacht bin ich ein Spielball der Wellen gewesen; wie viele beschwerliche Fußwanderungen habe ich gemacht, wie viele Gefahren bestanden durch Flüsse, Gefahren durch Räuber, Gefahren durch meine eigenen Volksgenossen, Gefahren durch Heiden, Gefahren in Städten, Gefahren in Einöden, Gefahren auf dem Meer, Gefahren unter falschen Brüdern!

Woher nahm Paulus die Kraft, all das auf sich zu nehmen, nicht das Handtuch zu werfen, sondern weiter voranzugehen und seinen Auftrag zu erfüllen?

2. Paulus bekennt seine Schwachheit

Ein Mann wie Paulus, der solch extreme Gefahren und Leiden überwunden hatte, würde ich weder als schwach noch als feige bezeichnen. Ohne Rücksicht auf sein eigenes Leben trat öffentlich für die Verkündigung des Evangeliums von Jesus-Christus auf. Doch im selben Brief an die Gemeinde in Korinth schrieb er:

In Bezug auf mich selbst aber will ich mich nicht rühmen als nur wegen der Schwachheiten.

Was veranlasst ihn hier, sich als schwach zu outen?

Hier ist es hilfreich schon bei Kapitel 10 (2. Brief an die Gemeinde von Korinth) zu beginnen. Denn dort nahm er Stellung zu den Vorwürfen seiner Gegner, die in der Stadt Korinth auftraten und nicht nur eine stark abweichende Botschaft verkündeten, sondern Paulus auch noch diffamierten. Man muss sich das wohl so ähnlich vorstellen, wie heute bei politischen Wahlkämpfen, in denen die Kandidaten versuchen, ihre Gegner bloßzustellen und ihre Glaubwürdigkeit zu erschüttern.

Sie bezeichneten seine Auftritte als schwach und behaupteten, dass er nicht reden könne. Sie selbst rühmten sich wohl ihrer Weisheit und ihrer Redekunst über alle Maßen. Nach der Tradition der griechischen Philosophen waren sie in der Rhetorik geschult und konnten sich eloquent ausdrücken.

Paulus war wohl kein so ein guter Redner und es ging ihm auch nicht um Show und Selbstdarstellung, sondern um die Botschaft.

Doch in seiner Stellungnahme sah er sich genötigt, etwas über seinen Hintergrund darzulegen, sich also, wie er schrieb, zu rühmen. Er nannte dabei zwei Punkte:

1. Seine außerordentlichen Offenbarungen

Zu Lebzeiten Jesu war Paulus kein Freund oder Anhänger, sondern Feind. Er mag wohl seinen Gegner genauer beobachtet haben, aber er hatte nie die Nähe zu Jesus, wie es seine Jünger hatten. Woher hatte dann Paulus sein Wissen, dass er schon einige Tage nach seiner Bekehrung das Evangelium in der Synagoge von Damaskus lehren konnte?

Paulus selbst gibt uns in den Versen 2-4 (2. Brief an die Korinther 12) die Antwort:

Der Herr (Jesus) ist ihm erschienen (hat seinen Geist in den 3. Himmel entrückt) und ihm vieles erklärt (offenbart). Er nannte es eine »Offenbarung von außerordentlicher Größe«.

Keiner der zwölf Apostel, die doch zwei bis drei Jahre an der Seite Jesu sein durften, konnte von solch einem Ereignis in seinem Leben berichten.

Aus dieser Offenbarung, die bei Paulus auf den fruchtbaren Boden seiner gründlichen alttestamentlichen Bildung fiel, wuchs seine überreiche Erkenntnis.

2. Seine Schwachheit

Paulus trennte hier zwischen seiner göttlichen Gabe (Offenbarung und Erkenntnis) und seiner Person. Die göttliche Gabe war des Ruhmes würdig, er selbst jedoch nicht:

»In Bezug auf mich selbst aber will ich mich nicht rühmen als nur wegen der Schwachheiten.«

Ihm ging es damit sicherlich nicht um die Herabwürdigung seiner Person oder um eine Art Selbstdarstellung im Gewand der Demut. Es ging ihm um ein geistliches Prinzip, das er in den darauffolgenden Versen erklärt: Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.

3. Der Dorn im Fleisch

In Vers 7 schrieb Paulus über einen Dorn, der ihn ins Fleisch stach. Mit dem Bild des Dornes bzw. Stachels bezieht er sich auf etwas, das ihm keine Ruhe ließ, ein Problem, das er aus eigener Kraft nicht zu lösen vermochte.

Auch wenn er den Urheber als Engel Satans identifizierte, erkannte er dennoch, dass es einem guten Zweck diente: »Damit ich mich nicht überhebe.«

Die Überheblichkeit war Teil seiner Vergangenheit. Paulus lebte als Pharisäer nach der strengsten Richtung der jüdischen Gottesverehrung. Aus den Evangelien wissen wir, dass Jesus immer wieder in Konflikte mit Pharisäern geriet, die sich selbst anmaßten, besser als alle anderen zu sein und über sie richten zu dürfen. Paulus war einer von ihnen. Er war ein konsequenter Gegner Jesu und wie er selbst schilderte, verfolgte er die Anhänger Jesu mit maßloser Wut. (APG 26,5-11)

Ein derart radikales Verhalten gegenüber Andersdenkenden zeigt uns deutlich, mit welcher Überheblichkeit Paulus agierte. Im Kern geht es also um das, was die Philosophie als »Hybris« bezeichnet: Hochmut, Arroganz, Anmaßung, Stolz, Überheblichkeit, die Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, Leistungen und Kompetenzen.

Hybris ist das Gegenteil der Gottesfurcht, mit der die Bibel die Anerkennung der Macht Gottes im Bewusstsein menschlicher Schwäche beschreibt. In der Hybris versuchen wir nicht im Wesen, Denken und Verhalten gottgleich zu sein, sondern ihm in Größe und Macht ebenbürtig zu sein. Sie steht der Demut und damit auch der Gotteserkenntnis entgegen.

Doch welchen Grund sollte Paulus nach seiner Bekehrung gehabt haben, sich zu überheben?

Hier müssen die Verse 6 und 7 (2. Brief an die Korinther 12) im Zusammenhang gelesen werden:

Wenn ich mich nämlich wirklich entschlösse, mich zu rühmen, wäre ich deshalb kein Tor, denn ich würde die Wahrheit sagen; doch ich unterlasse es, damit niemand höher von mir denke als dem entsprechend, was er an mir sieht oder von mir hört,

7 und auch wegen der außerordentlichen Größe der Offenbarungen. Deswegen ist mir auch, damit ich mich nicht überhebe, ein Dorn ins Fleisch gegeben worden, ein Engel Satans, der mich mit Fäusten schlagen muss, damit ich mich nicht überhebe.

Hatte Paulus aufgrund seiner außerordentlichen Offenbarungen mehr Erkenntnis als die anderen? Ist seine Botschaft mehr wert, als die der anderen Apostel?

Die Gefahr der Überhebung bestand damals für Paulus genauso wie sie heute für viele Prediger und Kirchen gilt: Die Aussagen von Paulus werden zum Dogma erhoben. Ein Dogma bedeutet, dass Vorgaben gemacht werden, wie jemand zu denken hat, anstatt seine eigene Erkenntnis zu fördern.

Paulus hatte den Auftrag, das Evangelium zu verkündigen. Also nicht irgendeine Lehre, sondern die Lehre von Jesu. Es geht also nicht um die Person Paulus, noch um seine Offenbarung und Erkenntnis, sonder um das Evangelium Jesu-Christi. Paulus ist nicht Herr und Gott, sondern ein Zeuge und Diener von Jesus.

Die Hybris ist jedoch nicht der Dorn des Paulus. Im Gegenteil, der Dorn ist etwas, das in daran hinderte, sich überheblich zu verhalten.

Der Begriff »Dorn« steht im griechischen Originaltext als οκόλοφ (okoloph), was die Bedeutung von Pfahl (Spitzpfahl, Palisade) oder auch Splitter, Dorn oder Stachel hat.

Es ist nicht der Splitter (καρφος = Strohhalm, Splitter), den man nach Mt 7,3 und Lk 6,41 im Auge des Bruders sieht, während man den Balken (δοκος = Dachbalken) im eigenen Auge nicht bemerkt.

Die Bedeutung dieses Dorns bzw. Stachels entspricht auch nicht dem Begriff »κεντρον«, den Jesus in APG 26,14 verwendete, als er zu Paulus (zu diesem Zeitpunkt noch Saulus) sprach:

»Saul, Saul! Was verfolgst du mich? Es ist schwer für dich, gegen den Stachel auszuschlagen!«

Κεντρον (kentron) bedeutet zum einen der Stab, der zum Lenken und Antreiben von Zug- und Lasttieren verwendet wurde. Im übertragenen Sinne steht »κεντρον« auch für Anreiz oder Antrieb. Des Weiteren bedeutet es die Spitze eines Zirkels, die den Mittelpunkt eines Kreises festlegt. Davon leiten sich die Wörter »Centro« und »Zentrum« ab.

Was dieser Dorn nun genau war, für was für ein Problem er gestanden haben mag, wir wissen es nicht. Es wäre falsch, hier Spekulationen zu betreiben. Was wir wissen müssen, steht in seinem Brief. Und darin erfahren wir, dass es für Paulus etwas sehr Schmerzliches war, an dem er aus eigener Kraft nichts ändern konnte.

4. Die Gnade Gottes

Paulus hatte Gott angefleht, ihn von diesem Problem (Dorn) zu erlösen. Doch die Antwort überrascht:

»Meine Gnade ist für dich genügend, denn meine Kraft gelangt in der Schwachheit zur Vollendung.« (2. Kor 12,9)

»Meine Gnade genügt« – was will er damit sagen?

Im Originaltext steht für Gnade das griechische Wort »Charis«. Es hat nichts mit dem Nachlassen einer Strafe zu tun, wie das Wort Gnade in der deutschen Sprache oft verstanden wird. Es steht für die Gunst, die wir bei Gott haben, für sein Wohlwollen und letztendlich für seine Liebe.

Er sagt in anderen Worten: Die Liebe Gottes ist alles, was du brauchst.

Paulus steckte in einer Art Zwickmühle: Er wollte seinen Dorn im Fleisch, der ihn schmerzte, loswerden. Aber dieser Dorn war anscheinend das, was ihn von der Überheblichkeit (Hybris) abhielt. Der überaus starke und sonst so zielstrebige Paulus wusste nun nicht mehr, was er wollte. Dieses scheinbar unlösbare Dilemma führte ihm seine eigene Schwachheit vor Augen. Er steckte fest und fand keine Lösung.

Und Gott sagte zu ihm: Meine Liebe reicht auch für dieses Problem aus.

5. Der Wille

Gott erklärte Paulus auch, wie seine Gnade funktioniert:

»Meine Kraft gelangt in der Schwachheit zur Vollendung.«

Die Schwachheit des Paulus betraf seinen Willen.

Starke Personen zeichnen sich durch einen starken Willen aus. Auch ein Bergsteiger wie Reinhold Messner besteigt nicht mühelos einen Achttausender. Neben der geistigen und physischen Konstitution ist es vor allem der Wille, der solche Menschen an ihr Ziel bringt. Starke bzw. erfolgreiche Menschen sind bereit, alles andere ihrem Ziel zu opfern. Ihre Stärke ist der Wille, ihr Ziel unter allen Umständen zu erreichen.

Paulus war definitiv ein Mensch mit einem starken Willen. Durch seine Bekehrung verändert Gott seine Gesinnung und damit sein Ziel: Statt die Anhänger Jesu zu bekämpfen, war sein Ziel nun, neue Anhänger zu gewinnen. Eine radikale Umkehr. Doch schon in der Apostelgeschichte können wir erkennen, mit welcher Zielstrebigkeit und Stärke er das neue Ziel verfolgt.

Er war die ideale Person für Gottes Plan: Intelligent und gut gebildet, eifrig, mutig, er sprach hebräisch, aramäisch, griechisch und Latein, als Pharisäer kannte die er Schrift (Tora, Propheten) in- und auswendig und er hatte die römische Staatsbürgerschaft. Gott hatte ihm das Evangelium offenbart, in dem er es zu einer sehr großen Erkenntnis brachte.

Dennoch wäre es nicht nach Gottes Plan gewesen, wenn Paulus nach seinem eigenen Willen gehandelt hätte. Gottes Plan war, das Evangelium zu allen Nichtjuden zu bringen, und es in der mächtigsten Stadt dieser Epoche zu verkünden, vor dem Kaiser in Rom. Um diesen Plan zu verwirklichen, musste Gott Paulus führen, denn nur durch Gottes Führung würde sich Gottes Willen erfüllen.

Jemand, der selbst einen starken Willen hat, kann nicht geführt werden. Führung setzt immer voraus, dass die Person ihren eigenen Willen dem der Führungskraft unterordnet.

Das bedeutet: Wenn mein Wille schwach ist, kann Gott mich ab besten führen.

6. Führung

Die Führung Gottes funktioniert nach demselben Prinzip, wie eine gute Führung in einem Unternehmen, die sich nach dem Reifegrad des Mitarbeiters richtet. Das wird als situativer Führungsstil bezeichnet.

situativer Führungsstil, Reife des Mitarbeiters versus Führung
Beispielgrafik für situative Führung

Der blaue Balken im Diagramm stellt jeweils den Reifegrad eines Mitarbeiters dar, der gelbe Balken die Intensität der Führung durch den Vorgesetzten.

Fall A: Ein neuer Mitarbeiter muss zu Beginn in das Unternehmen eingeführt werden. Die Führungskraft muss sich sehr intensiv um ihn kümmern, ihn genau anleiten und zur Seite stehen, wenn etwas nicht klappt.

Fall B: Mit der Zeit macht der Mitarbeiter Fortschritte und lernt selbständig zu arbeiten. In dem Maß, indem sein Reifegrad zunimmt, muss die Führung gelockert werden. Nur wenn dem Mitarbeiter Verantwortung übertragen wird, kann er diese auch wahrnehmen.

Fall C: Erfahrene Mitarbeiter brauchen genügend Freiraum, um sich entfalten zu können. Die Führung hat nur noch wenige Aufgaben und muss im großen Ganzen nur noch dafür sorgen, dass die Ausrichtung des Mitarbeiters mit der des Unternehmens übereinstimmt. Das ist wie bei einem Orchester: Der Dirigent muss dafür sorgen, dass alle Musiker im Einklang sind.

Fall D: Der Mitarbeiter arbeitet vollkommen selbständig. Das erscheint zwar sehr wünschenswert, doch besteht die Gefahr, dass der Mitarbeiter sein Ziel verfehlt. Nicht weil er es nicht könnte, sondern weil seine Zielsetzung von der des Unternehmens abweicht. In dieser Situation muss der Chef auch evaluieren, ob der Mitarbeiter nicht unterfordert ist und eine größere Aufgabe (Beförderung) bekommen sollte.

Fall E: Der Mitarbeiter schießt über sein Ziel hinaus. Er glaubt, sein eigener Chef zu sein, und macht, was er für richtig hält (Hybris). Damit dieser Mitarbeiter wieder mit den Zielen des Unternehmens übereinstimmt, muss er beschnitten werden. Das kann, wenn die Einsicht fehlt, sehr schmerzhaft für ihn sein. Doch nur so kann er gerettet werden. Vergleich Orchester: Der Musiker, der meint, er wäre ein Solist, muss wieder in die Gruppe integriert werden und sich dem Dirigenten unterordnen.

7. Vollmacht

Was macht Gott, wenn Du dich durch ihn führen lässt?

Er macht im Prinzip dasselbe. Wenn du schwach bist (Fall A), wirkt seine Kraft mehr, als wenn du selbst stark bist (z. B. Fall D).

Auch hier ist die Gefahr, dass du durch deine eigene Stärke deine eigenen Ziele verfolgst, deinem Ego folgst, und nicht den Zielen Gottes.

Starke Menschen (Fall E) tun sich dann sehr schwer, ihre eigenen Ziele loszulassen und sich der Führung Gottes zu unterstellen.

Das Beispiel der Mitarbeiterführung ist hier jedoch nur begrenzt anwendbar. Denn die Unterordnung im Willen, verbunden mit dem Verzicht auf den eigenen Willen, ist nur ein Anfangsstadium. Je mehr du bereit bist, dich ihm hinzugeben, desto mehr wirst du erkennen, dass sein Wille besser ist als dein eigener. Und um so mehr du das erkennst, um so mehr wird sich dein Wille dem Willen Gottes angleichen. Der Idealzustand ist dann erreicht, wenn dein Wille und der Wille Gottes identisch sind.

Dann kann auch das geschehen, wozu du aus eigener Kraft nicht in der Lage bist.

Die Worte Jesu (Joh 16,23):

Und an jenem Tage werdet ihr mich um nichts mehr befragen. Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet, so wird er es euch in meinem Namen geben.

Im Namen Jesu bedeutet mit seiner Vollmacht: Jesus ist der Vollmachtgeber und wir sind die Bevollmächtigten. Der Bevollmächtigte handelt anstelle des Vollmachtgebers, also für ihn, nach seinem Willen. Wenn du eine Vollmacht bekommen hast, musst du nicht mehr fragen, du kannst sie einsetzen, wenn du nach dem Willen des Vollmachtgebers handelst.

Wenn du aber immer nur deinen eigenen Willen durchsetzen willst, dann wirst du nie in Vollmacht handeln können.

Deswegen: Die Kraft Gottes kommt in der eigenen Schwachheit zur Vollendung.

8. Fazit

Das Paradox »Wenn ich schwach bin, dann bin ich stark« löst sich nur in Gottes Führung auf. Sich von Gott führen zu lassen, bedeutet nicht, alles was man ist aufzugeben, sondern zu erkennen, dass sein Wille für mich das Beste ist.

Um auf die Anfangsfrage zurückzukommen »Abwarten oder handeln?«, muss man sich darüber im Klaren sein, dass »sich führen lassen« immer auch Aktivität bedeutet. Glaube ist nicht Theorie, sondern Handeln. Das, was wir tun, muss jedoch von Gott bestimmt sein.

Es geht also nicht um eine willkürliche Herrschaft Gottes und Unterdrückung der Menschen, die ihren Willen aufgeben sollen. Es geht um die Angleichung unseres Willens zu Erreichung göttlicher Vollmacht.

Wir haben unseren freien Willen: Wir können uns jederzeit entscheiden, ob wir uns durch Gott führen lassen oder ob wir unseren eigenen Weg gehen wollen.

Weiterführende Themen (in Vorbereitung):

  • Gnade
  • Der Wille Gottes
  • Gottes Stimme hören
  • Unterscheidung der Geister