Psalmen – Buch 3

Drittes Buch (Psalm 73-89)

Deutsche Übersetzung nach Hermann Menge von 1939 (Public Domain), mit Ergänzungen von der Schule des Geistes (in grün).

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Psalm 73

1Ein Psalm von Asaph. Dennoch ist Gott voll Güte gegen den Frommen,

der Herr gegen alle, die reinen Herzens sind.

2Doch ich – fast wär’ ich gestrauchelt mit meinen Füßen,

nichts fehlte, so wären meine Schritte ausgeglitten;

3denn ich ereiferte mich über die Großsprecher,

wenn ich sehen mußte der Gottlosen Wohlergehn.

4Denn bis zu ihrem Tode leiden sie keine Schmerzen,

und wohlgenährt ist ihr Leib;

5Unglück trifft sie nicht wie andere Sterbliche,

und sie werden nicht geplagt wie sonst die Menschen.

6Drum ist auch Hochmut ihr Halsgeschmeide,

und Gewalttat ist das Kleid, das sie umhüllt.

7Aus strotzendem Antlitz tritt ihr Auge hervor,

die Gebilde ihres Herzens wallen über.

8Sie höhnen und reden in Bosheit (nur) von Gewalttat,

führen Reden von oben herab;

9gegen den Himmel richten sie ihren Mund,

und ihre Zunge ergeht sich frei auf Erden.

10Darum wendet das Volk sich ihnen zu

und schlürft das Wasser (ihrer Lehren) in vollen Zügen;

11sie sagen: »Wie sollte Gott es wissen,

und wie sollte der Höchste Kenntnis davon haben?«

12Seht, so treiben’s die Gottlosen,

und, immer in Sicherheit lebend, häufen sie Reichtum an.

13Ach, ganz umsonst hab’ ich rein mein Herz erhalten

und in Unschuld meine Hände gewaschen;

14ich ward ja doch vom Unglück allzeit geplagt,

und alle Morgen war meine Züchtigung da.

15Doch hätt’ ich gesagt: »Ich will auch so reden!«,

so hätt’ ich treulos verleugnet deiner Söhne Geschlecht.

16So sann ich denn nach, um dies zu begreifen,

doch es war zu schwer für mein Verständnis,

17bis ich eindrang in die Heiligtümer Gottes

und achtgab auf der Gottlosen Endgeschick.

18Fürwahr, auf schlüpfrigen Boden stellst du sie,

läßt sie fallen, daß sie in Trümmer zergehn.

19Wie werden sie doch im Nu vernichtet,

weggerafft, und nehmen ein Ende mit Schrecken!

20Wie ein Traumbild gleich nach dem Erwachen verfliegt,

so läßt du, o Allherr, beim Wachwerden ihr Bild verschwinden.

21Wenn mein Herz sich nun noch verbitterte

und ich in meinem Innern empört mich fühlte,

22so wär’ ich ein ganzer Tor und bar der Einsicht,

benähme mich wie ein vernunftloses Tier gegen dich.

23Doch nein, ich bleibe stets mit dir verbunden,

du hältst mich fest bei meiner rechten Hand;

24du leitest mich nach deinem Ratschluß

und nimmst mich endlich auf in die Herrlichkeit.

25Wen hätt’ ich sonst noch im Himmel?

Und außer dir erfreut mich nichts auf Erden.

26Mag Leib und Seele mir verschmachten,

bleibt Gott doch allzeit meines Herzens Fels und mein Teil.

27Denn gewiß: wer von dir sich lossagt, der kommt um;

du vernichtest alle, die treulos von dir abfallen.

28Mir aber ist Gottes Nähe beglückend:

ich setze mein Vertrauen auf Gott den HERRN, um alle deine Werke zu verkünden.


Psalm 74

1Ein Lehrgedicht von Asaph. Warum hast du uns, o Gott, für immer verworfen,

warum raucht dein Zorn gegen die Herde, die du weidest?

2Gedenke deiner Gemeinde, die vor alters du erworben,

die zum Eigentumsvolk du dir erlöst hast! (Gedenke) des Berges Zion, auf dem du Wohnung genommen!

3Lenk deine Schritte hinauf zu den ewigen Trümmern:

ach, alles hat der Feind im Heiligtum zerstört!

4Wild brüllen deine Feinde im Innern deiner Versammlungsstätte;

haben dort ihre Fahnen als Siegeszeichen aufgestellt.

5Es sieht sich an, als ob man die Äxte hoch

geschwungen hätte im Dickicht des Waldes.

6Und jetzt zerschlagen sie auch sein Schnitzwerk

allzumal mit Beilen und Hämmern.

7Sie haben dein Heiligtum in Brand gesteckt,

bis zum Boden entweiht die Wohnung deines Namens.

8Sie haben sich vorgenommen: »Wir rotten sie allesamt aus!«

und haben alle Gottesstätten im Lande verbrannt.

9Unsre (heiligen) Zeichen sehn wir nicht mehr, kein Prophet ist mehr da,

und niemand weiß bei uns, wie lange das dauern soll.

10Wie lange, o Gott, soll der Widersacher noch schmähen,

der Feind deinen Namen immerfort lästern?

11Warum doch ziehst du deine Hand zurück?

O zieh deine Rechte hervor aus dem Busen, mach ein Ende!

12Gott ist ja doch mein König von alters her,

Rettungstaten vollführt er inmitten des Landes.

13Du hast das Meer durch deine Kraft gespalten,

die Häupter der DrachenA auf den Fluten zerschellt.

14Du hast Leviathans Köpfe zermalmt,

zum Fraß ihn hingegeben dem Volke der Wüstentiere.

15Du hast Quellen und Bäche hervorbrechen lassen,

du hast nieversiegende Ströme trocken gelegt.

16Dein ist der Tag, dein auch die Nacht,

du hast den MondA und die Sonne hingestellt.

17Du hast der Erde rings die Grenzen festgesetzt,

Sommer und Winter, du hast sie gebildet.

18Denke daran: der Feind hat dich, o HERR, gehöhnt,

und ein gottloses Volk deinen Namen gelästert!

19Gib nicht den Raubtieren preis die Seele deiner Taube,

vergiß nicht für immer das Leben deiner Dulder!

20Blick hin auf den Bund! Denn angefüllt sind

die Verstecke des Landes mit Stätten der Gewalttat.

21Laß den Bedrängten nicht enttäuscht davongehn,

der Arme und Bedrückte müsse deinen Namen rühmen!

22Steh auf, Gott, verficht deine Sache!

Gedenke der Schmach, die dich trifft von den Ruchlosen Tag für Tag!

23Vergiß nicht das Geschrei deiner Feinde,

das Toben deiner Gegner, das allzeit aufsteigt!


Psalm 75

1Dem Musikmeister, nach (der Singweise = Melodie) »Vertilge nicht«; ein Psalm von Asaph, ein Lied. 2Wir preisen dich, Gott, wir preisen!

Denn nahe ist uns dein Name: deine Wundertaten verkünden ihn.

3»Wenn ich die Zeit gekommen erachte,

dann halte ich gerechtes Gericht.

4Mag wanken die Erde mit allen ihren Bewohnern:

ich bin’s, der ihre Säulen festgestellt. SELA.

5Ich rufe den Stolzen zu: ›Seid nicht stolz!‹

und den Frevlern: ›Hebt den KopfA nicht hoch!

6Hebt euren Kopf nicht gar so hoch,

redet nicht vermessen mit gerecktem Hals!‹« –

7Denn nicht vom Aufgang (der Sonne) noch vom Niedergang

und nicht von der Wüste her kommt die Erhöhung;

8nein, Gott ist’s, der da richtet:

diesen erniedrigt und jenen erhöht er.

9Denn ein Becher ist in der Hand des HERRN

mit schäumendem Wein, voll von berauschender Mischung; und er schenkt daraus ein: sogar die Hefen davon müssen schlürfen und trinken alle Frevler der Erde.

10Ich aber will das ewig verkünden,

will lobsingen dem Gotte Jakobs;

11und alle Hörner der Frevler will ich abhaun,

doch die Hörner der Gerechten sollen erhöht sein.


Psalm 76

1Dem Musikmeister, mit Saitenspiel; ein Psalm von Asaph, ein Lied. 2Allbekannt ist Gott in Juda,

in Israel ist groß sein Name;

3in Salem erstand seine Hütte

und seine Wohnstatt in Zion.

4Allda hat er zerbrochen des Bogens Blitze,

Schild und Schwert und jegliche Kriegswehr. SELA.

5Ruhmvoll bist du, herrlich

von den ewigen Bergen her.

6Ausgeplündert wurden die tapferen Streiter,

sanken hin in ihren Todesschlaf, und all den Helden versagte der Arm:

7vor deinem Drohruf, du Gott Jakobs,

sanken in Betäubung so Wagen wie Rosse.

8Ja du bist furchtbar, und wer kann bestehn

vor dir, sobald dein Zorn entbrannt ist?

9Vom Himmel her kündigtest du das Gericht an:

da erschrak die Erde und wurde still,

10als Gott sich erhob zum Gerichtsvollzug,

um allen Bedrückten auf Erden zu helfen. SELA.

11Denn der Menschen Grimm wird dir zum Lobpreis,

wenn zuletzt du dich gürtest mit Zornesflammen.

12Bringt Gelübde dar und erfüllt sie dem HERRN, eurem Gott:

alle, die ihn rings umgeben, müssen Geschenke dem Schrecklichen bringen,

13ihm, der den Hochmut der Fürsten dämpft

und furchtbar ist den Königen der Erde.


Psalm 77

1Dem Musikmeister über die Jeduthuniden; von Asaph ein Psalm. 2Laut ruf’ ich zu Gott, ja ich will schreien,

laut ruf’ ich zu Gott: »Ach, höre mein Flehen!«

3Wenn Drangsalszeiten über mich kommen, such’ ich den Allherrn;

meine Hand ist nachts ohn’ Ermatten ausgestreckt, meine Seele will sich nicht trösten lassen.

4Denk’ ich an Gott, so muß ich seufzen;

sinne ich nach, so verzagt mein Geist. SELA.

5Du hältst mir die Augenlider offen,

ich bin voll Unruhe und kann nicht reden.

6Ich überdenke die Tage der Vorzeit,

die längst entschwundenen Jahre;

7ich denke bei Nacht an mein Saitenspiel,

ich sinne in meinem Herzen nach, und es grübelt mein Geist und fragt:

8»Wird der Allherr auf ewig verstoßen

und niemals wieder Gnade üben?

9Ist seine Güte für immer erschöpft?

sind seine Verheißungen abgetan für alle Zukunft?

10Hat Gott vergessen, gnädig zu sein,

oder im Zorn sein Erbarmen verschlossen?« SELA.

11Da sagte ich mir: »Das bekümmert mich schmerzlich,

daß das Walten des Höchsten sich hat geändert.«

12Ich will gedenken der Taten des HERRN,

will gedenken deiner Wunder von der Vorzeit her,

13will sinnen über all dein Tun

und deine großen Taten erwägen.

14O Gott, erhaben ist dein Weg:

wo ist eine Gottheit so groß wie Gott?

15Du bist der Gott, der Wunder tut,

du hast deine Macht an den Völkern bewiesen,

16hast dein Volk erlöst mit starkem Arm,

die Kinder Jakobs und Josephs. SELA.

17Als die Wasser dich sahen, o Gott,

als die Wasser dich sahen, erbebten sie, auch die Tiefen des Weltmeers zitterten;

18die Wolken ergossen sich in strömenden Regen,

das Gewölk ließ Donner erkrachen, und deine Pfeile fuhren einher;

19deine Donnerstimme dröhnte am Himmelsgewölbe,

Blitze erhellten den Erdkreis, es bebte und schwankte die Erde.

20Durchs Meer ging dein Weg dahin

und dein Pfad durch gewaltige Fluten; doch deine Spuren waren nicht zu erkennen.

21Du hast dein Volk geführt wie eine Herde

unter Leitung von Mose und Aaron.


Psalm 78

1Ein Lehrgedicht von Asaph. Gib acht, mein Volk, auf meine Belehrung,

leiht euer Ohr den Worten meines Mundes!

2Ich will auftun meinen Mund zur Rede in Sprüchen,

will Rätsel verkünden von der Vorzeit her.

3Was wir gehört und erfahren

und unsere Väter uns erzählt haben,

4das wollen wir ihren Kindern nicht verschweigen,

sondern dem künftgen Geschlecht verkünden die Ruhmestaten des HERRN und seine Stärke und die Wunder, die er getan hat.

5Denn er hat ein Zeugnis aufgerichtet in Jakob

und festgestellt in Israel ein Gesetz, von dem er unsern Vätern gebot, es ihren Kindern kundzutun,

6auf daß die Nachwelt Kenntnis davon erhielte:

die Kinder, die geboren würden, sollten aufstehn und ihren Kindern davon erzählen,

7daß sie auf Gott ihr Vertrauen setzten

und die Taten Gottes nicht vergäßen und seine Gebote befolgten,

8daß sie nicht wie ihre Väter würden,

ein trotziges und widerspenstiges Geschlecht, ein Geschlecht mit wankelmütigem Herzen, dessen Geist sich nicht zuverlässig zu Gott hielt.

9Ephraims Söhne, bogengerüstete Schützen,

haben den Rücken gewandt am Tage des Kampfes.

10Sie hielten den gottgestifteten Bund nicht

und wollten nicht wandeln in seinem Gesetz;

11nein, sie vergaßen seine Taten

und seine Wunder, die er sie hatte sehen lassen.

12Vor ihren Vätern hatte er Wunder getan

im Lande Ägypten, im Gefilde von ZoanA.

13Er spaltete das Meer und ließ sie hindurchziehn

und türmte die Wasser auf wie einen Wall;

14er leitete sie bei Tag durch die Wolke

und während der ganzen Nacht durch Feuerschein;

15er spaltete Felsen in der Wüste

und tränkte sie reichlich wie mit Fluten;

16Bäche ließ er aus dem Felsen hervorgehn

und Wasser gleich Strömen niederfließen.

17Dennoch fuhren sie fort, gegen ihn zu sündigen,

und widerstrebten dem Höchsten in der Wüste;

18ja, sie versuchten Gott in ihren Herzen,

indem sie Speise verlangten für ihr Gelüst,

19und redeten gegen Gott mit den Worten:

»Kann Gott wohl einen Tisch in der Wüste uns decken?

20Wohl hat er den Felsen geschlagen, daß Wasser

flossen heraus und Bäche sich ergossen; doch wird er auch vermögen Brot zu geben oder Fleisch seinem Volke zu schaffen?«

21Drum, als der HERR das hörte, ergrimmte er:

Feuer entbrannte gegen Jakob, und Zorn stieg auf gegen Israel,

22weil sie an Gott nicht glaubten

und auf seine Hilfe nicht vertrauten.

23Und doch gebot er den Wolken droben

und tat die Türen des Himmels auf,

24ließ Manna auf sie regnen zum Essen

und gab ihnen himmlisches Brotkorn:

25Engelspeise aßen sie allesamt,

Reisekost sandte er ihnen zur Sättigung.

26Hinfahren ließ er den Ostwind am Himmel

und führte durch seine Kraft den Südwind herbei;

27Fleisch ließ er auf sie regnen wie Staub

und beschwingte Vögel wie Meeressand;

28mitten in ihr Lager ließ er sie fallen,

rings um ihre Wohnungen her.

29Da aßen sie und wurden reichlich satt,

und was sie gewünscht, gewährte er ihnen.

30Noch hatten sie ihres Gelüsts sich nicht entschlagen,

noch hatten sie ihre Speise in ihrem Munde,

31da stieg der Ingrimm Gottes gegen sie auf

und erwürgte die kräftigen Männer unter ihnen und streckte Israels junge Mannschaft zu Boden.

32Trotz alledem sündigten sie weiter

und glaubten nicht an seine Wunder.

33Drum ließ er ihre Tage vergehn wie einen Hauch

und ihre Jahre in angstvoller Hast.

34Wenn er sie sterben ließ, dann fragten sie nach ihm

und kehrten um und suchten Gott eifrig

35und dachten daran, daß Gott ihr Fels sei

und Gott, der Höchste, ihr Erlöser.

36Doch sie heuchelten ihm mit ihrem Munde

und belogen ihn mit ihrer Zunge;

37denn ihr Herz hing nicht fest an ihm,

und sie hielten nicht treu an seinem Bunde.

38Doch er war barmherzig, vergab die Schuld

und vertilgte sie nicht, nein, immer wieder hielt er seinen Zorn zurück und ließ nicht seinen ganzen Grimm erwachen;

39denn er dachte daran, daß Fleisch sie waren,

ein Windhauch, der hinfährt und nicht wiederkehrt.

40Wie oft widerstrebten sie ihm in der Wüste,

kränkten sie ihn in der Öde!

41Und immer aufs neue versuchten sie Gott

und betrübten den Heiligen Israels.

42Sie dachten nicht mehr an seine starke Hand,

an den Tag, wo er sie vom Bedränger erlöste,

43als er seine Zeichen in Ägypten tat,

seine Wunder im Gefilde von Zoan.

44Er verwandelte dort in Blut ihre Ströme,

so daß man ihr fließendes Wasser nicht trinken konnte;

45er sandte unter sie Ungeziefer, das sie fraß,

und Frösche, die ihnen Verderben brachten;

46er gab ihre Ernte den Freßgrillen preis

und die Frucht ihrer Arbeit den Heuschrecken;

47er zerschlug ihre Reben mit Hagel,

ihre Maulbeerfeigenbäume mit Schloßen;

48er gab ihr Vieh dem Hagel preis

und ihren Besitz den Blitzen;

49er sandte gegen sie seines Zornes Glut,

Wut und Grimm und Drangsal: eine ScharA von Unglücksengeln;

50er ließ seinem Ingrimm freien Lauf,

entzog ihre Seele nicht dem Tode, überließ vielmehr ihr Leben der Pest;

51er ließ alle Erstgeburt in Ägypten sterben,

der Manneskraft Erstlinge in den Zelten Hams.

52Dann ließ er sein Volk ausziehn wie Schafe

und leitete sie in der Wüste wie eine Herde

53und führte sie sicher, so daß sie nicht bangten;

ihre Feinde aber bedeckte das Meer.

54So brachte er sie nach seinem heiligen Gebiet,

in das Bergland, das er mit seiner Rechten erworben,

55und vertrieb vor ihnen her die Völker,

verloste ihr Gebiet als erblichen Besitz und ließ in ihren Zelten die Stämme Israels wohnen.

56Doch sie versuchten und reizten Gott, den Höchsten,

und hielten sich nicht an seine Gebote,

57sondern fielen ab und handelten treulos, ihren Vätern gleich;

sie versagten wie ein trüglicher Bogen

58und erbitterten ihn durch ihren Höhendienst

und reizten ihn zum Eifer durch ihre Götzenbilder.

59Als Gott es vernahm, ergrimmte er

und verwarf Israel ganz und gar:

60er gab seine Wohnung in Silo auf,

das Zelt, das er aufgeschlagen unter den Menschen;

61er ließ seine Macht in Gefangenschaft fallen

und seine Zier in die Hand des Feindes;

62er gab sein Volk dem Schwerte preis

und war entrüstet über sein Erbteil;

63seine jungen Männer fraß das Feuer,

und seine Jungfraun blieben ohne Brautlied;

64seine Priester fielen durchs Schwert,

und seine Witwen konnten keine Totenklage halten.

65Da erwachte der Allherr wie ein Schlafender,

wie ein vom Wein übermannter Kriegsheld;

66er schlug seine Feinde von hinten

und gab sie ewiger Schande preis.

67Auch verwarf er das Zelt Josephs

und erwählte nicht den Stamm Ephraim,

68sondern erwählte den Stamm Juda,

den Berg Zion, den er liebgewonnen;

69und er baute den ragenden Bergen gleich sein Heiligtum,

fest wie die Erde, die er auf ewig gegründet.

70Dann erwählte er David, seinen Knecht,

den er wegnahm von den Hürden des Kleinviehs;

71von den Mutterschafen holte er ihn,

daß er Jakob weide, sein Volk, und Israel, seinen Erbbesitz.

72Der weidete sie mit redlichem Herzen

und leitete sie mit kundiger Hand.


Psalm 79

1Ein Psalm von Asaph. O Gott, in dein Eigentum sind Heiden eingedrungen,

haben deinen heiligen Tempel entweiht, Jerusalem zu Trümmerhaufen gemacht!

2Sie haben die Leichen deiner Knechte

den Vögeln des Himmels zum Fraß gegeben, den wilden Tieren des Landes die Leiber deiner Frommen!

3Sie haben deren Blut vergossen wie Wasser

rings um Jerusalem her, und niemand hat sie begraben!

4Wir sind unsern Nachbarn zur Schmähung geworden,

ein Spott und Hohn den Völkern um uns her!

5Wie lange, o HERR, willst du unversöhnlich zürnen?

Bis wann soll lodern dein Eifer wie Feuer?

6Gieß deine Zornglut über die Heiden aus, die dich nicht kennen,

auf die Reiche, die deinen Namen nicht anrufen!

7Denn sie haben Jakob gefressen

und seine Wohnstatt verwüstet.

8Rechne uns nicht die Schuld der Väter an,

laß eilends dein Erbarmen uns angedeihn! Denn gar schwach sind wir geworden.

9Hilf uns, du Gott unsers Heils,

um der Ehre deines Namens willen! Errette uns und vergib uns unsere Sünden um deines Namens willen!

10Warum sollen die Heiden sagen: »Wo ist ihr Gott?«

Laß kundwerden an den Heiden vor unsern Augen die Rache für das vergossne Blut deiner Knechte!

11Laß vor dich kommen das Seufzen der Gefangenen;

kraft deines starken Armes erhalte am Leben die dem Tode Geweihten!

12Und zahle unsern Nachbarn siebenfach heim in ihren Busen

den Hohn, mit dem sie dich, o Allherr, gehöhnt!

13Wir aber, dein Volk und die Herde, die du weidest,

wir wollen dir ewiglich danken, von Geschlecht zu Geschlecht verkünden deinen Ruhm!


Psalm 80

1Dem Musikmeister, nach (der Singweise = Melodie) »Lilien(rein) ist das Zeugnis«; von Asaph ein Psalm. 2O Hirte Israels, merk auf,

der du Joseph leitest wie eine Herde! Der du thronst über den Cheruben, erscheine!

3Als Anführer Ephraims und Benjamins und Manasses

biete deine Heldenkraft auf und komm uns zu Hilfe!

4O Gott (der Heerscharen), stelle uns wieder her

und laß dein Angesicht leuchten, damit uns Rettung widerfährt!

5O HERR, Gott der Heerscharen, wie lange noch

raucht dein Zorn trotz der Gebete deines Volkes?

6Du hast uns Tränenbrot essen lassen

und uns eimerweise getränkt mit Tränen;

7du hast uns gemacht zum Zankapfel unsern Nachbarn,

und unsere Feinde spotten über uns.

8O Gott der Heerscharen, stelle uns wieder her

und laß dein Angesicht leuchten, damit uns Rettung widerfährt!

9Einen Weinstock hast aus Ägypten du ausgehoben,

hast Heidenvölker vertrieben, ihn eingepflanzt,

10hast weiten Raum vor ihm her geschafft,

daß er Wurzeln schlug und das Land erfüllte;

11die Berge wurden von seinem Schatten bedeckt

und von seinen Reben die Zedern Gottes;

12er streckte seine Ranken aus bis ans Meer

und seine Schößlinge bis zum Euphratstrom.

13Warum hast du sein Gehege eingerissen,

so daß alle ihn zerpflücken, die des Weges ziehn?

14Es zerwühlt ihn der Eber aus dem Walde,

und die Tiere des Feldes fressen ihn kahl.

15O Gott der Heerscharen, kehre doch zurück,

schaue vom Himmel nieder und blicke her und nimm dich dieses Weinstocks an,

16des Setzlings, den deine Rechte gepflanzt,

und des Schößlings, den du dir großgezogen!

17Er ist mit Feuer verbrannt, ist abgehauen:

vor dem Zornblick deines Angesichts kommen sie um.

18Halte schirmend die Hand über den Mann deiner Rechten,

den Menschensohn, den du dir großgezogen:

19so wollen wir nimmer von dir weichen!

Schenke uns neues Leben, so wollen wir deinen Namen preisen!

20O HERR, Gott der Heerscharen, stelle uns wieder her,

laß dein Angesicht leuchten, damit uns Rettung widerfährt!


Psalm 81

1Dem Musikmeister, nach der Keltertreterweise; von Asaph. 2Singt jubelnd dem Gott, der unsre Stärke ist,

jauchzet dem Gott Jakobs!

3Stimmt Lobgesang an und laßt die Pauken erschallen,

die liebliche Zither mitsamt der Harfe!

4Stoßt am Neumond in die Posaune,

beim Vollmond zur Feier unsres Festes!

5Denn so ist es Satzung für Israel,

ein Gebot des Gottes Jakobs;

6als Gesetz hat er’s für Joseph verordnet,

als er auszog gegen Ägyptenland. – Eine Sprache, die ich bisher nicht gekannt, vernehme ich:

7»Ich hab’ seine Schulter der Last entzogen,

seine Hände sind des Tragkorbs ledig geworden.

8Als du riefst in der Drangsal, erlöste ich dich,

erhörte dich in der Hülle der Donnerwolke, prüfte dich am Haderwasser. SELA.

9›Höre, mein Volk, ich will dich warnen!

o Israel, möchtest du mir doch gehorchen!

10Kein fremder Gott soll unter dir sein,

vor keinem Gott des Auslands darfst du dich niederwerfen!

11Ich, der HERR, bin dein Gott,

der dich heraufgeführt aus Ägyptenland: tu deinen Mund weit auf, so will ich ihn füllen!‹

12Doch mein Volk hat nicht gehört auf meine Stimme,

und Israel ist mir nicht zu Willen gewesen.

13Da hab ich sie preisgegeben dem Starrsinn ihres Herzens:

sie sollten nach ihren eignen Gedanken wandeln.

14O wollte mein Volk doch mir gehorchen,

Israel doch wandeln auf meinen Wegen!

15Wie bald würde ich ihre Feinde beugen

und gegen ihre Dränger kehren meine Hand!

16Die da hassen den HERRN, die müßten ihm schmeicheln,

und ihre Gerichtszeit sollte ewig währen.

17Doch ihn wollt’ ich nähren mit dem Mark des Weizens,

dich sättigen aus dem Felsen mit Honig.«


Psalm 82

1Ein Psalm Asaphs. Gott steht da in der Gottesversammlung,

hält inmitten der GötterA Gericht:

2»Wie lange noch wollt ihr ungerecht richten

und Partei für die Gottlosen nehmen? SELA.

3Schafft Recht dem Geringen und Verwaisten,

dem Bedrückten und Dürftigen verhelft zum Recht!

4Rettet den Geringen und Armen,

entreißt ihn der Hand der Gottlosen!«

5»Doch sie sind ohne Einsicht und ohne Erkenntnis;

in Finsternis gehn sie einher, mögen der Erde Pfeiler auch alle wanken.

6Wohl hab’ ich selber gesagt, daß ihr Götter seid

und Söhne des Höchsten allesamt;

7dennoch wie (gewöhnliche) Menschen sollt ihr sterben.

und fallen wie irgendeiner der Fürsten.«

8Erhebe dich, Gott, richte die Erde!

Denn du bist der Erbherr über alle Völker.


Psalm 83

1Ein Lied, ein Psalm Asaphs. 2O Gott, halte dich nicht zurück,

verharre nicht im Schweigen und bleibe nicht ruhig, o Gott!

3Denn siehe, deine Feinde toben,

und die dich hassen, tragen das Haupt hoch!

4Gegen dein Volk ersinnen sie einen Anschlag

und beraten sich gegen deine Schutzbefohlnen;

5sie sagen: »Kommt, wir wollen sie vertilgen als Volk:

des Namens Israel soll man fürder nicht gedenken!«

6Ja, sie haben einmütigen Sinns sich beraten,

ein Bündnis gegen dich geschlossen:

7die Zelte Edoms und der Ismaeliter,

Moab und die Hagriter,

8Gebal und Ammon und Amalek,

das Philisterland samt den Bewohnern von Tyrus.

9Auch Assur hat sich zu ihnen gesellt,

es leiht den Nachkommen LotsA seinen Arm. SELA.

10Verfahre mit ihnen wie einst mit Midian,

wie mit Sisera, wie mit Jabin am Bache Kison,

11die bei Endor den Untergang fanden,

mit ihren Leibern das Erdreich düngten!

12Mache sie, ihre Edlen, wie Oreb und Seeb,

und wie Sebah und Zalmunna alle ihre Fürsten,

13die gesprochen hatten: »Wir wollen für uns erobern

die Fluren Gottes!«

14Mein Gott, mache sie gleich dem verwehten Laub,

wie Spreu vor dem Winde!

15Wie Feuer, das den Wald verzehrt,

wie Flammen, welche die Berge versengen:

16so verfolge sie mit deinem Sturm

und schrecke sie mit deiner Windsbraut!

17Laß Beschämung ihr Antlitz bedecken,

auf daß sie nach deinem Namen fragen, o HERR!

18Laß sie beschämt und erschreckt sein für immer,

in Schande geraten und vergehn!

19Sie müssen erkennen, daß du, dessen Name »HERR« ist,

du allein der Höchste bist über die ganze Erde.


Psalm 84

1Dem Musikmeister, nach der Keltertreterweise; von den Korahiten ein Psalm. 2Wie lieblich ist deine Wohnstatt,

HERR der Heerscharen!

3Meine Seele hat sich gesehnt, ja geschmachtet

nach den Vorhöfen des HERRN; nun jubeln mein Herz und mein Leib dem lebendigen Gott entgegen!

4Hat doch auch der Sperling ein Haus gefunden

und die Schwalbe ein Nest für sich, woselbst sie ihre Jungen birgt: deine Altäre, o HERR der Heerscharen, mein König und mein Gott.

5Wohl denen, die da wohnen in deinem Haus,

dich allzeit preisen! SELA.

6Wohl allen, die in dir ihre Stärke finden,

wenn auf Pilgerfahrten sie sinnen!

7Wenn sie wandern durchs Bakatal,

machen sie’s zum Quellengrund, den auch der Frühregen kleidet in reichen Segen.

8Sie wandern dahin mit stets erneuter Kraft,

bis vor Gott sie erscheinen in Zion.

9O HERR, Gott der Heerscharen, höre mein Gebet,

vernimm es, Gott Jakobs! SELA.

10Du unser Schild, blick her, o Gott,

und schau auf das Antlitz deines Gesalbten!

11Denn ein einziger Tag in deinen Vorhöfen

ist besser als tausend andere; lieber will ich stehn an der Schwelle im Hause meines Gottes, als wohnen in den Zelten der Frevler.

12Denn Sonne und Schild ist Gott der HERR;

Gnade und Ehre verleiht der HERR, nichts Gutes versagt er denen, die unsträflich wandeln.

13O HERR der Heerscharen,

wohl dem Menschen, der dir vertraut!


Psalm 85

1Dem Musikmeister; von den Korahiten ein Psalm. 2Du hast zwar, HERR, deinem Lande Gnade gewährt,

hast Jakobs Mißgeschick gewendet,

3hast deinem Volke die Schuld vergeben

und all seine Sünde zugedeckt, SELA;

4hast deinem ganzen Groll entsagt,

von der Glut deines Zorns dich abgewandt:

5stell uns nun aber auch wieder her, du Gott unsers Heils,

und laß deinen Unmut gegen uns schwinden!

6Willst du denn unversöhnlich gegen uns zürnen

und deinen Zorn fortdauern lassen für und für?

7Willst du uns nicht wieder neu beleben,

daß dein Volk sich deiner mag freuen?

8Laß uns schauen, o HERR, deine Gnade

und gewähre uns dein Heil!

9Ich will doch hören, was Gott der HERR verkündet! –

Fürwahr, er kündet Segen an seinem Volke und seinen Frommen; nur daß sie nicht wieder sich wenden zur Torheit!

10Wahrlich, sein Heil ist denen nah, die ihn fürchten,

daß Herrlichkeit in unserm Lande wohne,

11daß Gnade und Treue einander begegnen,

Gerechtigkeit und Friede sich küssen.

12Die Treue wird aus der Erde sprossen

und Gerechtigkeit vom Himmel niederschauen.

13Dann wird uns der HERR auch Segen spenden,

daß unser Land uns seinen Ertrag gewährt;

14Gerechtigkeit wird vor ihm hergehn

und achten auf den Weg seiner Schritte.


Psalm 86

1Ein Gebet Davids. Neige, o HERR, dein Ohr, erhöre mich,

denn elend bin ich und arm!

2Bewahre meine Seele, denn ich bin fromm;

hilf du, mein Gott, deinem Knecht, der auf dich vertraut!

3Sei mir gnädig, o Allherr,

denn zu dir rufe ich allezeit.

4Erfreue das Herz deines Knechtes,

denn zu dir, o Allherr, erheb’ ich meine Seele.

5Denn du, o Allherr, bist gütig und bereit zum Verzeihen,

bist reich an Gnade für alle, die dich anrufen.

6Vernimm, o HERR, mein Gebet

und merke auf mein lautes Flehen!

7Bin ich in Not, so ruf’ ich zu dir,

denn du erhörst mich.

8Keiner kommt dir gleich unter den Göttern, o Allherr,

und nichts ist deinen Werken vergleichbar.

9Alle Völker, die du geschaffen,

werden kommen und vor dir anbeten, o Allherr, und deinen Namen ehren;

10denn du bist groß, und Wunder tust du:

ja du, nur du bist Gott.

11Lehre mich, HERR, deinen Weg,

daß ich ihn wandle in deiner Wahrheit; richte mein Herz auf das Eine, daß es deinen Namen fürchte!

12Preisen will ich dich, Allherr, mein Gott, von ganzem Herzen

und deinen Namen ewiglich ehren;

13denn deine Gnade ist groß gegen mich gewesen:

du hast meine Seele errettet aus der Tiefe des Totenreichs.

14O Gott! Vermessene haben sich gegen mich erhoben,

eine Rotte von Schreckensmännern steht mir nach dem Leben; sie haben dich nicht vor Augen.

15Doch du, o Allherr, bist ein Gott voll Erbarmen und Gnade,

langmütig und reich an Gnade und Treue.

16Wende dich zu mir und sei mir gnädig;

verleih deine Kraft deinem Knecht und hilf dem Sohne deiner Magd!

17Tu ein Zeichen an mir zum Guten,

daß meine Feinde es sehn und sich schämen müssen, weil du, o HERR, mein Helfer und Tröster gewesen!


Psalm 87

1Von den Korahiten ein Psalm, ein Lied.

SeineA Gründung liegt auf heiligen Bergen:

2lieb hat der HERR die Tore Zions

mehr als alle (anderen) Wohnstätten Jakobs.

3Herrliches ist von dir berichtet, du Gottesstadt. SELA. 4»Ich nenne Ägypten und Babel als meine Bekenner,

hier das Philisterland und Tyrus samt Äthiopien – nämlich wer dort seine Heimat hat.«

5Doch von Zion heißt es: »Mann für Mann hat dort seine Heimat,

und er selbst, der Höchste, macht es stark.«

6Der HERR zählt, wenn er die Völker aufschreibt:

»Dieser hat dort seine Heimat.« SELA.

7Sie aber tanzen den Reigen und singen:

»Alle meine Quellen sind in dir (o Zion)!«


Psalm 88

1Ein Lied, ein Psalm von den Korahiten; dem Musikmeister, nach (der Singweise = Melodie) »die Krankheit«; ein Lehrgedicht von Heman, dem Esrahiten. 2O HERR, du Gott meines Heils,

ich rufe bei Tage und schreie nachts vor dir:

3o laß mein Gebet vor dich kommen,

neige dein Ohr meinem Flehen zu!

4Denn meine Seele ist mit Leiden gesättigt,

und mein Leben naht sich dem Totenreich.

5Schon zählt man mich zu den ins Grab Gesunknen,

ich bin wie ein Mann ohne Lebenskraft.

6Unter den Toten hab’ ich mein Lager

gleichwie Erschlagne, die im Grabe liegen, deren du nicht mehr gedenkst: sie sind ja deiner Hand entrückt.

7Du hast mich in die Grube der Unterwelt versetzt,

in finstre Nacht, in die Tiefe;

8auf mir lastet schwer dein Grimm,

und mit all deinen Wogen drückst du mich nieder. SELA.

9Meine Bekannten hast du mir entfremdet,

hast mich ihnen zum Abscheu gemacht; eingeschlossen bin ich und kann nicht hinaus:

10mein Auge erlischt vor Elend. Ich rufe zu dir, o HERR, jeden Tag, ich breite zu dir meine Hände aus:

11»Kannst an den Toten du Wunder tun,

oder werden Schatten aufstehn, um dich zu preisen? SELA.

12Wird man im Grabe von deiner Gnade erzählen,

von deiner Treue im Abgrund?

13Verkündet man dein Wunderwalten in der Finsternis

und deine Gerechtigkeit im Lande des Vergessens?«

14Ich dagegen rufe laut zu dir, o HERR,

schon am Morgen tritt mein Gebet vor dich:

15»Warum, o HERR, verwirfst du mich,

verbirgst du dein Antlitz vor mir?«

16Elend bin ich und siech von Jugend auf,

ich trage deine Schrecken und verzweifle.

17Deine Zornesgluten sind über mich hingegangen,

deine Schrecknisse haben mich vernichtet;

18sie umgeben mich immerdar wie Wasserfluten,

umringen mich allzumal.

19Freunde und Gefährten hast du mir entfremdet:

nur die Finsternis ist mir vertraut (geblieben).


Psalm 89

1Ein Lehrgedicht von Ethan, dem Esrahiten. 2Die Gnadenerweise des HERRN will ich allzeit besingen,

bis zum fernsten Geschlecht deine Treue laut verkünden.

3Denn du, Herr, hast verheißen:

»Auf ewig soll der Gnadenbund aufgebaut sein«

  • fest wie den Himmel hast du deine Treue gegründetA –:

4»Ich habe einen Bund geschlossen mit meinem Erwählten,

habe David, meinem Knecht, geschworen:

5›Deinem Geschlecht will ich ewige Dauer verleihen

und aufbaun deinen Thron für alle Zeiten.‹« SELA.

6Da priesen die Himmel deine Wundertat, o HERR,

dazu deine Treue in der Versammlung der Heiligen.

7Denn wer in der Wolkenhöhe kommt dem HERRN gleich,

ist dem HERRN vergleichbar unter den Gottessöhnen,

8dem Gott, der gefürchtet ist im Kreise der Heiligen

und furchtbar über alle um ihn her?

9HERR, du Gott der Heerscharen, wer ist dir gleich?

Stark bist du, HERR, und deine Treue ist rings um dich her.

10Du herrschest über das Ungestüm des Meeres:

erheben sich seine Wogen – du besänftigst sie.

11Du hast Rahab zermalmt wie einen Durchbohrten,

deine Feinde mit deinem starken Arm zerstreut.

12Dein ist der Himmel, dein auch die Erde,

der Erdkreis und seine Fülle – du hast sie gegründet;

13Norden und Süden – du hast sie geschaffen,

der Thabor und Hermon bejubeln deinen Namen.

14Du hast einen Arm voll Heldenkraft:

stark ist deine Hand, deine Rechte hoch erhoben.

15Gerechtigkeit und Recht sind deines Thrones Stützen,

Gnade und Treue gehen vor dir her.

16Wohl dem Volk, das zu jubeln versteht,

das, o HERR, im Licht deines Angesichts wandelt:

17ob deinem Namen frohlocken sie allezeit,

ob deiner Gerechtigkeit sind sie hochgemut.

18Denn du bist ihr Ruhm und ihre Stärke,

und durch deine Gnade ragt hoch unser Horn;

19denn dem HERRN gehört unser Schild

und dem Heiligen Israels unser König.

20Damals hast du in einem Gesicht zu deinem Frommen gesprochen:

»Ich habe die Hilfe einem Helden übertragen, einen Auserwählten über das Volk erhöht:

21ich habe David als meinen Knecht gefunden,

mit meinem heiligen Öl ihn gesalbt,

22damit meine Hand beständig mit ihm sei

und mein Arm ihm Stärke verleihe.

23Kein Feind soll ihn überlisten

und kein Ruchloser ihn überwältigen;

24nein, seine Gegner will ich vor ihm zerschmettern,

und die ihn hassen, will ich niederschlagen.

25Doch mit ihm soll meine Treue und Gnade sein,

durch meinen Namen soll sein Horn hoch ragen;

26ich will das Meer unter seine Hand tun

und seine Rechte auf die Ströme legen.

27Er soll zu mir rufen: ›Mein Vater bist du,

mein Gott und der Fels meines Heils!‹

28So will auch ich ihn zum Erstgeborenen machen,

zum höchsten unter den Königen der Erde.

29Für immer will ich ihm meine Gnade bewahren,

und mein Bund soll fest ihm bleiben;

30für immer will ich sein Geschlecht erhalten

und seinen Thron, solange der Himmel steht.

31Wenn seine Söhne mein Gesetz verlassen

und nicht in meinen Rechten wandeln,

32wenn sie meine Satzungen entweihen

und meine Gebote nicht beachten:

33so werde ich zwar mit der Rute ihren Abfall strafen

und ihre Übertretung mit Schlägen,

34doch meine Gnade will ich ihm nicht entziehen

und meine Treue nimmer verleugnen;

35ich werde meinen Bund nicht entweihen

und den Ausspruch meiner Lippen nicht ändern.

36Ein für allemal hab’ ich bei meiner Heiligkeit geschworen

  • niemals werde ich David belügen –:

37›Sein Geschlecht soll ewig bestehn,

sein Thron wie die Sonne vor mir,

38wie der Mond soll für immer er bleiben‹:

der Zeuge in Wolkenhöhen ist treu!« SELA.

39Und dennoch hast du verworfen und verstoßen,

hast Zorn gegen deinen Gesalbten betätigt;

40du hast den Bund mit deinem Knecht gebrochen,

seine Krone entweiht und zu Boden geschleudert;

41all seine Mauern hast du eingerissen,

seine festen Plätze in Trümmer gelegt.

42Es plündern ihn alle, die des Weges ziehen,

seinen Nachbarn ist er zum Spott geworden.

43Du hast den Arm seiner Dränger hoch erhoben

und all seine Feinde mit Freude erfüllt;

44auch hast du rückwärts gewandt sein scharfes Schwert

und im Krieg ihn nicht aufrecht gehalten (siegreich erhalten);

45du hast seinem Glanz ein Ende gemacht

und seinen Thron zu Boden gestürzt;

46du hast die Tage seiner Jugend verkürzt,

hast ihn mit Schande bedeckt. SELA.

47Bis wann, HERR, willst du dich ganz verbergen?

Bis wann soll lodern wie Feuer dein Zorn?

48Bedenke, wie kurz meine Lebenszeit ist,

wie vergänglich du alle Menschenkinder geschaffen!

49Wo ist ein Mensch, der leben bleibt und den Tod nicht sieht,

seine Seele errettet vor des Totenreichs Macht?

50Wo sind deine früheren Gnadenverheißungen, Allherr,

die du David zugeschworen in deiner Treue?

51Gedenke, Allherr, der Schmach deiner Knechte,

daß ich tragen muß in meinem Busen den Hohn von all den vielen Völkern,

52womit deine Feinde, o HERR, geschmäht uns haben,

womitB geschmäht sie haben die Fußstapfen deines Gesalbten!

53Gepriesen sei der HERR in Ewigkeit! Amen, ja Amen!